Hydro-Keramik im Wohnzimmer: Poröse Tonpaneele kühlen Räume passiv – Design, DIY und Praxistest
Hitze in der Wohnung ohne lautes, stromhungriges Klimagerät? Poröse Hydro-Keramik-Paneele aus unglasiertem Ton nutzen Verdunstungskälte, um Räume spürbar abzukühlen – leise, schön und wartungsarm. Statt Luft zu kühlen, wird die Wand selbst zum passiven Kühler. Klingt exotisch, passt aber überraschend gut in Stadtwohnungen, Tiny Houses und Dachgeschosse.
Was ist Hydro-Keramik? Aufbau und Funktionsprinzip
Hydro-Keramik kombiniert offenporige Tonflächen mit einem kapillar aktiven Wasserspeicher. Der Effekt: Wasser wandert an die Oberfläche, verdunstet und entzieht der Raumluft Wärme. Das Prinzip ist uralt (Amphoren, Zeer-Pots), die Umsetzung jedoch wohnraumtauglich und designfähig.
- Deckschicht: 10–18 mm unglasierter, offenporiger Ton (Terrakotta), Kapillarporen 5–80 µm
- Kapillarvlies: Zellulose-/PET-Vlies als Wasserverteiler hinter der Tonplatte
- Reservoir: schlanker Tank (Schwerkraft oder Mikro-Pumpe), optional mit Füllstandsensor
- Rückwand: diffusionsoffene Trägerplatte (z. B. Magnesit, Lehm, Kalk)
- Regelung: Hygro-/Temperatursensoren steuern Wasserzufuhr (opt. Smart Home)
Physik in kurz: 1 Liter verdunstetes Wasser kann ~680 Wh Wärme entziehen. Je trockener und bewegter die Luft, desto höher die Kühlleistung (typisch: 25–70 W m-2 bei Wohnraumbedingungen).
Wo funktioniert Hydro-Keramik am besten?
- Wohn- und Arbeitsräume: Süd-/Westlagen mit Nachmittagswärme, Querlüftung möglich.
- Schlafzimmer: Nachtkühlung leise und zugfrei, besonders in Dachschrägen.
- Küche & Essbereich: Puffert Kochwärme; Abstand zu Spritzwasserzonen beachten.
- Loggia/Wintergarten: Grenzräume mit hoher Sonneneinstrahlung profitieren stark.
Grenzen: Bei relativer Luftfeuchte > 60 % sinkt die Leistung. Lösung: Stoßlüften, luftbewegende Deckenfans, adaptive Steuerung.
Aufbau der Hydro-Keramik-Paneele
- Tonplatte: 300 × 600 mm oder 400 × 400 mm, mit Kapillarrillen rückseitig
- Vlies & Verteiler: gleichmäßige Benetzung, Tropfkante vermeiden
- Wasserweg: Docht-/Kapillarschlauch (Ø 3–6 mm) vom Tank zur Paneeloberkante
- Reservoir: 2–5 L schmale Wandbox, optional UV-LED zur Biofilmkontrolle
- Regelung: 5 V/24 V Mikro-Pumpe, Hygrostat (z. B. 45–55 % r. F. Zielbereich)
Vorteile und Grenzen im Überblick
| Aspekt | Vorteil | Hinweis |
|---|---|---|
| Energie | Passiv/Low-Power (Pumpe < 5 W) | Wirkt ohne Kompressor, ideal mit PV |
| Komfort | Zugfrei, flächig, sehr leise | Leistung skaliert mit Fläche & Luftwechsel |
| Design | Warme Materialität, Reliefs möglich | Tonalitäten von Sand bis Espresso |
| Ökologie | Ton, Zellulose, wenig Elektronik | Wasserqualität beachten, kalkarm ideal |
| Grenzen | Kühlt effektiv in trockener Luft | Bei hoher Feuchte lüften/ventilieren |
Praxistest: 48 m² Altbau in Leipzig (Westlage)
- Installierte Fläche: 2,1 m2 Hydro-Keramik (7 Paneele 300 × 600 mm)
- Regelung: Hygrostat 50 % r. F., Mikro-Pumpe 3,5 W, Luftumwälzer auf Stufe 1
- Sommernachmittag (Außen 31 °C, innen Ausgang 28,2 °C, 44 % r. F.)
- Nach 35 min: 26,9 °C in Sitzbereich (–1,3 K gefühlt stärker durch Strahlung)
- Wasserverbrauch: 0,6–0,9 L pro Stunde (Lastspitze)
- Schall: < 25 dB(A) am Sitzplatz
Wichtig: Die gefühlte Abkühlung entsteht auch durch Wandabstrahlung & Oberflächenkühlung, nicht nur durch Lufttemperatur.
DIY-Montage: 1,2 m2 Kühlwand im Lese-Eck
Materialliste
- 4 × Tonpaneel 300 × 600 mm, offenporig, unglasiert
- Kapillarvlies (1,5 m2) und 4 m Kapillarschlauch Ø 4 mm
- Wandträgerplatten (magnesit-/lehmgebunden), Montagekleber mineralisch
- Reservoirtank 3 L mit Absperrventil, Schlauchkupplungen
- 5 V USB-Mikro-Pumpe oder 24 V Mini-Pumpe + Netzteil, Hygrostat (Wi-Fi/Matter optional)
- Feinmaschiger Vorfilter, optional UV-LED im Tank
Schritt-für-Schritt
- Wand glatt, tragfähig, diffusionsoffen vorbereiten; Staub entfernen.
- Trägerplatten lotrecht verkleben; 24 h trocknen lassen.
- Kapillarvlies auf Träger fixieren, Schlauchverteiler oben einlegen (gleichmäßige Auslässe).
- Tonpaneele aufsetzen, fugenlos oder mit 2–3 mm Schattenfuge; Tropfkante unten einplanen.
- Reservoir platzieren (untere Kante < Paneeloberkante für Schwerkraftzufuhr) oder Pumpe einsetzen.
- System mit kalkarmem Wasser befüllen, Dichtheit prüfen, erste 20 min unter Aufsicht betreiben.
- Hygrostat auf 45–55 % r. F. einstellen; optional Automationen: nur bei T > 26 °C und r. F. < 60 % aktiv.
Bauzeit: ca. 90 min, Materialkosten: ~ 290–460 € je nach Paneelqualität.
Gestaltung: von Reliefs bis Farblehm
- Relief-Fräsungen erhöhen Oberfläche → mehr Verdunstungsleistung.
- Farbgebung mit Lehm-/Kalklasuren (diffusionsoffen), keine dichten Lacke.
- Möbelintegration: Paneelrückwand in Bücherregale, Nischen oder Wandbänke integrieren.
- Licht: LED-Profile mit Abstand (Wärmeabführung beachten), indirekte Kühl-Licht-Wand.
Pflege, Hygiene & Wasserqualität
- Kalk: möglichst weiches/entkalktes Wasser nutzen; sonst periodisch mit mildem Zitronensäurewasser (pH > 6) abwischen.
- Biofilm: Reservoir 1×/Monat leeren, ausspülen; optional UV-LED oder Silberionen-Patrone.
- Ruhephasen: Bei r. F. > 60 % Betrieb automatisch pausieren; Trockenlauf 10 min verhindert Feuchtestau.
- Schimmelprävention: Diffusionsoffene Untergründe nutzen, Luftzirkulation nicht blockieren.
Smart Home & Effizienz
- Sensorik: Kombisensor (Temp./r. F./VOC) nahe Paneel; Ziel: 45–55 % r. F., 24–26 °C Komfort.
- Automation: Wenn T > 26 °C UND r. F. < 60 % → Pumpe EIN; sonst AUS. Nachlauf 5–10 min für Trocknung.
- Integration: Matter-/HomeKit-/Zigbee-Thermostate, Szenen mit Jalousien/Deckenventilatoren.
- PV-Option: 5 V/24 V Pumpen direkt über Balkonkraftwerk-USB/DC speisen.
Kosten, Betrieb und Wirkung
| Posten | Richtwert | Bemerkung |
|---|---|---|
| Paneele | 80–160 € m-2 | Qualität, Relief, Handarbeit |
| Vlies & Schläuche | 20–35 € | Kapillarsystem |
| Reservoir & Pumpe | 30–90 € | Mit Sensorik 60–140 € |
| Betrieb | < 2 € / Monat | Strom für Mikro-Pumpe, je nach Laufzeit |
| Wasser | 0,4–1,2 L h-1 | Sommer-Lastfall |
FAQ in Kürze
- Macht Hydro-Keramik die Luft zu feucht? Bei sinnvoller Regelung bleibt r. F. im Komfortbereich. Stoß-/Querlüftung einplanen.
- Kann ich das im Bad nutzen? Ja, aber nur außerhalb direkter Spritzbereiche und mit guter Lüftung.
- Winterbetrieb? Als Luftbefeuchter bei trockener Heizungsluft mit niedriger Wasserzufuhr einsetzbar.
Zukunft: PCM & 3D-gedruckte Kerne
- Phasenwechselmaterialien (PCM) in Tonporen puffern Wärme tagsüber, geben sie nachts ab.
- 3D-gedruckte Kanäle für definierte Kapillarwege und höhere Flächenleistung.
- Adaptive Glasure: hydrophile/hydrophobe Zonen zur Tropfenführung ohne Flecken.
Fazit
Hydro-Keramik ist eine leise, energiesparende und ästhetische Antwort auf überhitzte Innenräume. Wer 1–3 m2 Wandfläche investiert, klug lüftet und Sensorik nutzt, erreicht spürbare Abkühlung ohne Kompressor und mit wenig Wartung. Ideal für Wohnzimmer, Schlafräume und Homeoffice.
Call-to-Action: Starten Sie mit einer 1,2 m2-Testwand an der wärmsten Fassade. Messen Sie Temp./r. F. vor und nach dem Einbau – und skalieren Sie, wenn die Wirkung überzeugt.

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